13. Jun 2017

„Talking Mats“ – eine Methode für mehr Teilhabe am Leben

Kurzbeschreibung der Grundsituation:

Nach dem die Seminarleiterinnen Frau Prof. Dr. Andrea Erdélyi, Frau Apl. Prof. Dr. Ingeborg Thümmel und Frau Dipl. Heilpäd. Susanne Mischo ihre Ausbildung in der Kommunikationsmethode Talking Mats in Schottland abschließen konnten, haben sie in Deutschland bereits mit ca. 50 Personen Gespräche mittels Talking Mats geführt. Diese fanden z.B. im Rahmen der eigenen praktischen Arbeit und Qualifizierung zu Talking Mats Trainern statt, im Rahmen ihrer Forschungsprojekte sowie auch im Rahmen des sogenannten „Forschenden Lernens“, einem Modul im Masterstudium Sonderpädagogik an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. In diesem Modul haben Studierende und Beschäftigte der Gemeinnützigen Werkstätten Oldenburg im Studienjahr 2016/17 gemeinsam die Anwendung von Talking Mats erlernt und damit geforscht.
Darüberhinaus wurden in Oldenburg bereits zwei Fortbildungen für Studierende und UK-Fachpersonal aus ganz Deutschland in deutscher Sprache gegeben.

Interview mit Frau Susanne Mischo, zertifizierte Talking-Mats Trainerin

Dipl. Heilpädagogin Susanne Mischo ist zertifizierte “Talking Mats“ – Trainerin. In ihrer aktuellen Tätigkeit arbeitet sie in der Beratungsstelle für Unterstützte Kommunikation im Ambulatorium für Rehabilitation an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg, ist dort in Lehre und Forschung tätig und gibt Fortbildungen im UK-Bereich.

Frage:
Frau Mischo, Sie sind zertifizierte Trainerin der in Deutschland noch wenig verbreiteten Methode „“Talking Mats““. Welchen Bedarf konnten die hier bekannten Methoden zur Kommunikation mit Menschen mit Sprachbeeinträchtigungen bisher nicht decken, dass Sie sich auf den Weg nach Schottland gemacht haben, um diese Methode zu lernen?

Susanne Mischo (S.M.):
Natürlich gibt es mittlerweile vielfältige Möglichkeiten, sich mittels Formen der Unterstützten Kommunikation mitzuteilen. Diese zielen auf gelingende Kommunikation und damit auf Teilhabe in allen Situationen des Alltags ab. An Grenzen stößt man manchmal, wenn man Personen mit Kommunikationsbeeinträchtigungen detailliert zu spezifischen Themen, wie z.B. zur Berufswahl oder zu Wohnwünschen befragen möchte. Die eigene Sichtweise auf eine offene Frage hin mitzuteilen, erfordert die Fähigkeit, frei erzählen zu können. Oder es erfordert die Fähigkeit vom Kommunikationspartner, das Gespräch mit den entsprechenden Strategien gut unterstützen zu können. Menschen mit Kommunikationsbeeinträchtigungen profitieren hier von strukturierten Gesprächssituationen, um Schritt für Schritt Ihr Meinung zu entfalten. Talking Mats bietet dafür einen Rahmen und kann damit als ein Baustein im Methodenkoffer UK gesehen werden, der  eine Lücke ausfüllt und einen wichtigen Bedarf abdeckt.

Frage:
In welchen Bereichen kann „“Talking Mats““ ganz besonders seine Stärken entwickeln?

S.M.:
Die besondere Stärke von „Talking Mats“ ist es, dass sie Menschen mit Kommunikationsbeeinträchtigungen einen Raum gibt, detailliert über Themen nachzudenken und ihre Sicht mitzuteilen. Sie ist keine Methode zur Alltagskommunikation.

Frage:
Haben Sie bereits Erfahrungen in Deutschland gemacht und wenn ja: welches ist der größte Nutzen für die Betroffenen?

S.M.:
Ja, wir haben in Deutschland bereits mit ca. 50 Personen Gespräche mittels „Talking Mats“ geführt. Und wir haben dabei festgestellt – und das motiviert uns sehr dabei, diese Methode in Deutschland zu etablieren – dass diese Herangehensweise es möglich macht, Themen gezielt und detailliert zu besprechen, die im Alltag schnell aus dem Blick geraten oder nur oberflächlich angesprochen werden können. Die Möglichkeit, sich zusammen hinzusetzen und darüber zu sprechen, welche Aspekte ein Thema hat und wie relevant oder wichtig die einzelnen Aspekte für eine Person sind, stellt eine große Chance dar, z. B. für Themen wie die Persönliche Zukunftsplanung, für die Einbeziehung von Personen in die Hilfeplanung oder den Rehabilitationsprozess oder einfach nur, um über Träume und Wünsche zu sprechen. „Talking Mats“ gibt einen Rahmen dafür.

Frage:
Können die Betreuer von Betroffenen auch Nutzen aus „Talking Mats“ ziehen?

S.M.:
Ja, sie können einen tieferen Einblick in die Sichtweisen von den Personen erhalten, die sich über „Talking Mats“ zu einem Thema äußern. Das ist manchmal sehr aufschlussreich und überraschend.

Frage:
Viele Betroffene leben und / oder arbeiten in Einrichtungen. Gibt es auch Vorteile für die Einrichtungen?

S.M.:
Auch Einrichtungen haben mittels Talking Mats die Möglichkeit, die Sichtweisen der Menschen, die dort leben und/oder arbeiten, gezielt mit einzubeziehen. Gerade wenn es um Fragen zur Selbstbestimmung, Lebensqualität oder Zufriedenheit von Menschen mit Kommunikationsbeeinträchtigungen geht, kommt man schnell an die Grenzen der Beteiligungsmöglichkeiten. Talking Mats kann hier eine Möglichkeit für den Personenkreis bieten, der sich über Bildsymbole als Kommunikationsform mitteilen kann.

Herzlichen Dank, Frau Mischo, für die Beantwortung unserer Fragen.

 

Eine Gruppe von 8 Beschäftigten hat im Rahmen eines begleitenden Angebots, das in jeder WfbM zur Weiterentwicklung der Persönlichkeit angeboten wird, an den Talking Mats Kursen teilgenommen.Wir haben die Gruppenleiterin der Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) in Oldenburg, Frau Nicole Hobbie, gefragt, was für sie an Talking Mats so interessant ist, dass sie einigen Beschäftigten die Teilnahme an den Kursen ermöglicht hat. Auch haben wir einige Beschäftigte selbst befragt. Dabei wurde deutlich:

 

Frau Hobbie: „Talking Mats Kurse sind besonders geeignet für unser Klientel, da sie selbst teilweise Kommunikationsschwierigkeiten haben und / oder von vielen Kolleg*innen und Bewohner*innen umgeben sind, die Kommunikationsschwierigkeiten haben. So haben sie direkt Menschen vor Augen, für die  Talking Mats hilfreich sein kann und sehen perspektivisch auch die Möglichkeit, die Methode nicht nur für sich, sondern auch mit diesen Menschen direkt anzuwenden.“

Vor dem Hintergrund, dass zumindest einige der Beschäftigten im Alltag Schwierigkeiten haben, Durchhaltever-mögen zu zeigen und eine Motivation über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten, ist die rege Teilnahme – Frau Hobbie zufolge – ein Indiz dafür, dass das Seminar sehr erfolgreich war. „Einzelne Beschäftigte haben bereits konkret vor Augen, mit welchen Personen sie Talking Mats anwenden möchten.  Insgesamt wurden die Erwartun-gen an das Seminar übertroffen. Wir würden gern noch weitere Beschäftigte und auch Mitarbeit*innen in der Methode Talking Mats schulen lassen.“

Die befragten Beschäftigten schätzen Talking Mats als sehr nützlich ein, da es in unterschiedlichsten Funktionen angewendet werden kann, sei es beispielsweise im Heimbeirat oder im Umgang mit anderen Kolleg*innen.

Frau Hobbie ist sich mit den Beschäftigten einig: Wir würden gerne noch mehr über den Einsatz von Talking Mats lernen und weitere Beschäftigte sowie auch Mitarbeiter*innen in dieser Methode schulen lassen.